…aber wozu überhaupt, der Atomausstieg ist doch beschlossen?
Muss ich mich im Jahr zwei nach dem Atomausstiegsbeschluss unserer Regierung noch gegen Atomkraft einsetzen? Bringt es überhaupt noch etwas, auf Ökostrom umzusteigen? Das Bündnis „Atomausstieg selber machen“ sagt ganz eindeutig JA! Im Jahre 2006 wurde der damals geltende Atomkonsens schon einmal aufgekündigt, als die Konzerne RWE, E.on, Vattenfall und EnBW die ersten Anträge auf Übertragung von Reststrommengen von alten auf nicht ganz so alte Atommeiler einreichten. An diesem Punkt wurde Anti-Atom-Initiativen, Umwelt- und Verbraucherschutz-Organisationen klar: Wenn wir die Atomkonzerne nicht an ihrem wunden Punkt erwischen – dem Kapital, das sie tagtäglich Dank ihrer Millionen von Kundinnen und Kunden einnehmen – dann werden wir noch lange auf den Atomausstieg warten müssen. Also wurde von 23 Bündnispartnern eine Info-Kampagne ins Leben gerufen, wie Stromkunden den „Atomausstieg selber machen“ können, nämlich indem den vier Atomkonzernen vier unabhängige Ökostromanbieter gegenübergestellt werden. Das Konzept scheint zu funktionieren: Angeregt von „Atomausstieg selber machen“ sind seit Oktober 2006 hunderttausende Stromkundinnen und -kunden zu einem der empfohlenen Ökostromanbieter gewechselt, von denen kein Geld zu den Atomkonzernen gelangt.
Echter Ökostrom ist meist günstiger
Die gängige Ausrede, Ökostrom könne man sich nicht leisten, hält der Realität nicht stand: Als nach Bekanntgabe der Preiserhöhungen zum 1.1.2013 die Tarife der vier Ökostromanbieter mit der Grundversorgung in den 100 größten Städten Deutschlands verglichen wurden, zeigte sich, dass Verbraucherinnen und Verbraucher in 89 Prozent der Vergleichsstädte mindestens einen Ökostromanbieter finden, für den sie weniger zahlen müssen als für den lokalen Stromversorger. In dessen Atomstrom die Entsorgungskosten für die rund 30 Tonnen hochradioaktive Abfälle pro AKW pro Jahr natürlich noch nicht enthalten sind, denn die trägt ja die Gesellschaft. Trotzdem haben es nach Angaben der Bundesnetzagentur erst 15 Prozent aller deutschen Haushalte gewagt, sich von ihrem angestammten Stromanbieter zu verabschieden.
Welcher „Ökostromanbieter“ verdient seinen Namen?
Die Unsicherheit, an schwarze Schafe zu geraten, schreckt offenbar viele Menschen ab: Welchen der vielen Anbieter soll ich denn nun wählen? Nach Recherchen des Bündnisses haben die Atomkonzerne bei 50 der 100 größten Stadtwerke und Regionalversorger ihre Finger im Spiel oder verstecken sich hinter schön klingenden Namen wie „NaturEnergie“ oder „NaturWatt“. Mit diesen Tarifen fördert der Kunde nicht die Energiewende, sondern vergrößert die Gewinne der Atom- und Kohlekraftwerksbetreiber, denn die Großkonzerne produzieren jeweils nur etwa 4 Prozent ihres Stroms aus erneuerbaren Energien. Generell gilt: Nicht überall, wo Ökostrom drauf steht, ist auch welcher drin. Ein bei Stromanbietern beliebtes Modell ist der Zertifikatehandel. Ist bei einem Ökostromtarif die Rede von „Herkunftsnachweisen“, insb. „RECS“, findet wahrscheinlich „Greenwashing“ von Graustrom statt.
Die vier Vorreiter der Energiewende
Die Elektrizitätswerke Schönau, Greenpeace Energy, Lichtblick und Naturstrom sind unabhängig von den Konzernen, die Atom- oder Kohlekraftwerke betreiben oder mit Strom aus diesen Quellen handeln. Sie verkaufen zu hundert Prozent Ökostrom, das heißt, es handelt sich um umweltfreundlich hergestellten Strom aus Wind- und Wasserenergie sowie besonders effizienter Kraft-Wärme-Kopplung. Vor allem aber unterstützen diese Ökostromunternehmen mit ihren Einnahmen die Energiewende, zum Beispiel durch die Förderung von Kundenanlagen, durch den Bau eigener Kraftwerke oder durch die Forschung an Innovationen.
In fünf Minuten zu sauberem Strom und einem guten Gewissen
Auf Flyern und der Internetseite der Initiative wird erklärt, wie einfach der Wechsel abläuft. Im Grunde genommen ist mit drei Schritten alles erledigt – alles Weitere wie etwa die Kündigung des alten Stromvertrages übernimmt der neue Stromanbieter. Man wird lückenlos mit Strom versorgt und sollten doch mal Fragen auftauchen, leistet der neue Ökostromanbieter gern Hilfe.
Ich selbst habe mich direkt nach meinem Auszug von Zuhause zum Wechsel entschieden, um mit meinem Geld nicht weiter die Atomindustrie unterstützen zu müssen. Ich zahle nicht mehr als die Grundversorgung und kann mir sicher sein, dass mein Geld der Energiewende zu Gute kommt.
Informationen und Hilfestellungen gibt es auf der Internetseite www.atomausstieg-selber-machen.de oder bei der kostenlosen Hotline 0800 7626852.
Foto: Henk-Jan van der Klis
Wir möchten uns bei Marie Fleisch für diesen ausführlichen Gastbeitrag ganz herzlich bedanken. Auf der oben angeführten Interneteseite haben wir (Livona ) nun endlich auch unseren „Lieblings-Ökostrom-Anbieter“ gefunden und werden in Kürze wechseln.
Starker Artikel. Das Problem wird gleich im 2. Absatz deutlich: Der Großteil der Bevölkerung ist immer noch in der Annahme, dass Ökostrom teurer als die „normalen“ Anbieter ist. Dies muss der Ansatzpunkt sein, um eine breitenwirksame Stoßrichtung entfalten zu können. Maßnahmen dafür wurden schon in die Wege geleitet, bleibt zu hoffen, dass es bald mehr als 15% der Haushalte sind, die auf Ökostrom setzen.
Hallo Mathias, danke für das Lob, ich werde es weiter reichen. Leider ist es bei Ökostrom wie mit vielen anderen Themen. Man muss sich damit erst einmal intensiv beschäftigen, um zu einer eigenen Meinung zu finden, den geeigneten, ehrlichen Anbieter finden und dann auch noch wechseln. Dafür nehmen sich sicher viele Leute, die sogar wechseln wollen, nicht die Zeit. Das ist schade! Deshalb auch dieser Beitrag, der Interessierten den Wechsel leichter machen soll. Zudem verunsichert Werbung und schlechte Informationspolitik von einigen Seiten sicher auch viele Menschen.