Von Adina, 20. Juli 2012

Sauber Radeln – das erste Fahrradöl mit Umweltzeichen

Seit März 2012 auf dem Markt: ein 100prozentig biologisches Kettenöl für Fahrräder - Livona-Experten-Interview

ÖlfläschchenKaum zu glauben, dass es für ein so alltägliches Problem, wie saubere Schmierstoffe für Fahrräder bisher keine wirkliche Alternative gab. Herkömmliche mineralische Kettenöle/Getriebeöle – wie sie in der Regel auch für Fahrräder zu Einsatz kommen – werden aus Erdölen verschiedenster Regionen der Erde hergestellt. Nach langem Transport wird das Erdöl mit einem aufwendigen Raffinationsprozess in seine unterschiedlichen Bestandteile aufgetrennt. Für Fahrradöle auf Mineralölbasis werden in der Regel leichte mit Wasserstoff behandelte Erdöldestillate (Naphta) bzw. Kerosin mit niedrigem Siedepunkt verwendet. Die häufig von Fahrradfahrern genutzten Kettensprays enthalten dazu noch klimaschädliche Treibgase wie Butan oder Propan.

Kettenöle haben hohes Gesundheits- und Umweltgefährdungspotenzial

Mineralölprodukte sind ein komplexes Gemisch verschiedener öliger Substanzen mit hohem Gesundheits- und Umweltgefährdungspotenzial. In den Herstellerangaben zu Fahrradölen auf Mineralölbasis finden Sie immer beunruhigende Gefahrenhinweise, wie zum Beispiel: „Enthält Material, welches folgende Organe schädigen kann: Lungen, Herz, obere Atemwege, Haut, Augen, zentrales Nervensystem (ZNS), Schädlich für Wasserorganismen, kann in Gewässern längerfristig schädliche Wirkung haben, Berührung mit der Haut vermeiden, nicht in die Kanalisation und Gewässer gelangen lassen; dieses Produkt und seinen Behälter der Problemabfallentsorgung zuführen, darf nicht in die Hände von Kindern gelangen, Dämpfe können Schläfrigkeit und Benommenheit verursachen, kann nach Einatmen Depressionen verursachen, reaktiv oder inkompatibel mit folgenden Stoffen: Kunststoffe, Farben.“

Ernste Bedrohung durch Mineralölprodukte

Aufgrund dieser Herstellerhinweise kann man leicht nach vollziehen, wie ernst die Bedrohung durch Mineralölprodukte ist, die im Alltag häufig sorglos verwendet werden. Schon kleinste Mengen an Mineralöl, welche in die Umwelt freigesetzt werden, können beträchtlichen Schaden anrichten. Eine Konzentration von nur einem Milligramm Mineralöl pro Liter Wasser überleben mehr als fünfzig Prozent der darin enthaltenen Wasserlebewesen nicht. Viele Mineralölbestandteile sind nur sehr schwer biologisch abbaubar und vergiften das Erdreich und Grundwasser für Jahre.

Dementsprechend hoch sind nun die Erwartungen an das von NATOIL und der Danico GmbH entwickelte biologische Fahrradöl, das mit dem Umweltzeichen „Blauer Engel“ im März diesen Jahres, nach einjähriger Entwicklungszeit auf den Markt kam. Livona wurde durch die Umweltinitiative „Stadtradeln“, die von beiden Unternehmen unterstützt wird aufmerksam und unterhielt sich mit dem Diplom-Biologen und Geschäftsführer der Danico-GmbH, Arian Nek, über das neue Fahrradöl.

Herr Nek, was war Ihre Motivation, sich für die Entwicklung eines Bio-Öles einzusetzen?

Öl purArian Nek: Bei dieser Entscheidung haben persönliche Einstellungen eine wichtige Rolle gespielt. Als Biologe habe ich natürlich Interesse an einer intakten Natur. Außerdem bin ich leidenschaftlicher Radfahrer und möchte Hobby und Umweltschutz miteinander verbinden. Das nicht vorhandene Angebot an zertifizierten Bio-Fahrradölen und die nicht sonderlich überzeugende Leistungsfähigkeit herkömmlicher Produkte führten zur Überlegung, ein Fahrradöl zu entwickeln, welches technisch und ökologisch ausgereift ist. Dieses Fahrradöl sollte auch ein anerkanntes gesetzliches Umweltzeichen tragen, womit die Umweltfreundlichkeit eindeutig dokumentiert wird.

Für Kettensägen ist schon seit langem Bio-Öl auf dem Markt. Warum kommt das entsprechende Produkt für Fahrräder erst jetzt? Konnte man aus den Erfahrungen aus diesem Anwenderbereich schöpfen, bzw. wo genau liegt da der Unterschied?

Arian Nek: Mit dem Begriff „Bio-Öl“ ist hierbei die Verwendung von Ölen aus nachwachsenden Rohstoffen gemeint und nicht der biologisch kontrollierte Anbau. Für Bio-Kettensägenöle wurden bestimmte Anforderungen festgelegt, die sich an den technischen Gegebenheiten der Kettensäge orientieren. Bei Versuchen mit handelsüblichen Kettensägen konnte die technische Eignung von Bio-Ölen nachgewiesen werden und so haben viele Hersteller ihre Kettensägen für Bio-Öle freigegeben. Zwar können für Kettensägen eine Reihe von Pflanzenölen verwendet werden, aber dafür ist ein bestimmter Zeitaufwand für Wartungsarbeiten mit einzurechnen, da Verharzung bei den meisten Pflanzenölen ein Thema ist.

Bei der Entwicklung von NATOIL Fahrradöl haben wir uns den Einsatzbereich von Kettensägenöl bezüglich der technischen Anforderungen natürlich angeschaut. Bei der Fahrradkette stellen sich allerdings höhere Anforderungen. Zuerst musste das Thema Verharzung vom Tisch. Das ließ sich lösen, indem wir uns bei der Auswahl des Pflanzenöls für eine natürlich vorkommende Sonnenblumenart entschieden, die keine OMEGA3-Fettsäuren enthält. Dieses spezielle Sonnenblumenöl wird seit langem bei NATOIL erfolgreich als Basisöl für energiesparende Hochleistungs-Bio-Hydrauliköle verwendet. NATOIL spricht in diesem Zusammenhang von der High-Oleic-Technology, die auch patentiert wurde. So konnten wir bei der Entwicklung von der jahrelangen Expertise bei energie-effizienten Bio-Hydraulikölen profitieren.

Es gibt ähnlich funktionierende Kettenöle auf dem Markt. Warum ist Ihr Produkt das erste und einzige, dass das Umweltsiegel erhalten hat?

Rückseite KettenölflascheArian Nek: Da wir von anderen Herstellern keine Informationen haben, können wir über die Gründe nur spekulieren. Ein offizielles Umweltsiegel nach ISO-Norm 14020 zu erlangen, ist ein sehr teurer und zeitaufwendiger Prozess. Dazu kommen noch Anmeldekosten und Lizenzgebühren. Die Herausforderung besteht aber vor allem darin, mit umweltfreundlichen Rohstoffen, die sicher nicht zu den günstigsten zählen, ein technologisch hochwertiges Fahrrad-Kettenöl zu entwickeln, welches auch unter widrigen Bedingungen funktioniert und zudem lange haltbar ist. Für den Antrag zum Umweltsiegel wurde eine Studie angefertigt, in der unser Kettenöl mit herkömmlichen Produkten auf seine technische Eignung verglichen wurde. Die ISO-Norm schreibt nämlich vor, dass das Bio-Fahrradkettenöl bei mindestens gleicher technischer Eignung eine deutlich bessere Umweltleistung als herkömmliche Fahrrad-Kettenöle aufweisen muss. Aktuelle Tests in einschlägigen Fachzeitschriften belegen zum Beispiel die technische Eignung von unseres Fahrrad-Kettenöl für Fahrten im Schlamm, darauf sind wir sehr stolz.

Das NATOIL Biotech Chain Lube Kettenöl ist eine Gemeinschaftsentwicklung der Danico GmbH mit der NATOIL AG und wurde über ein Jahr lang entwickelt. Wer und was steckt hinter den beiden Firmen und wie kam es zu dieser Kooperation?

Arian Nek: Ich machte durch Zufall Bekanntschaft mit NATOIL-Schmierstoffen und habe dann Herrn Otto Botz, den CEO der NATOIL AG, kontaktiert. Das war der Beginn einer erfolgreichen Kooperation, denn wir ergänzen uns sehr gut in Bezug auf unsere Fachkompetenzen. NATOIL verfügt über eine langjährige Expertise bezüglich der Möglichkeiten und Einsatzgebiete von natürlichen Hochleistungs-Schmierstoffen. Die Danico GmbH verfügt über ein breites Know-How in Biologie, Biotechnologie und Ökologie. Die meisten Praxistests an Fahrrädern wurden mit Unterstützung von Radprofis von der Danico GmbH durchgeführt. Zur langen Entwicklungszeit haben hierbei auch die strengen Anforderungen der Umweltzeichen beigetragen.

Warum ist normales Speiseöl nicht geeignet? Bio-Kettenöle, so das gängige Vorurteil, neigen dazu, zu verharzen oder schimmelig zu werden. Konnten Sie diese Probleme erfolgreich beheben? Gibt es auch Nachteile, wenn ich mich für das Bio-Öl entscheide?

Arian Nek: Wie schon erwähnt, spielt die Verharzung bei normalen Speiseölen eine große Rolle. Diese Öle können auch leicht ranzig werden. Dazu enthält normales Speiseöl weitere Inhaltsstoffe, die die technische Eignung weiter einschränken. Die Lösung ist die Verwendung von natürlichem und ölsäurereichem Sonnenblumenöl, das sich seit vielen Jahren in technischen Anwendungen bewährt hat. Dieses „High-Oleic-Sunflower Oil“ ist frei von störenden Inhaltsstoffen und ohne Zusätze Jahre haltbar. Schimmel spielt für technisches Sonnenblumenöl keine Rolle, da es für Mikroorganismen praktisch nicht möglich ist, wasserfreies Pflanzenöl zu besiedeln. Bei der Anwendung als Bio-Hydrauliköl wurden mit technischem Sonnenblumenöl doppelt so lange Standzeiten im Vergleich zu Mineralölprodukten beobachtet. Als nachteilig kann man den höheren Einkaufspreis für dieses Pflanzenöl bezeichnen, der auch erntebedingt stark nach oben gehen kann. Dieser Nachteil wird aber mehr als ausgeglichen, wenn man bedenkt, wie ergiebig und regensicher dieser Schmierstoff ist. Auch ein Reinigen der Kette mit dem Gartenschlauch ist kein Problem für dieses Kettenöl. Nach OECD-Norm 301B ist unser Fahrradöl leicht biologisch abbaubar.

Ihre Innovation besteht fast ausschließlich aus natürlichem Sonnenblumenöl. Können sie mir die restlichen Bestandteile nennen? Sprechen wir von Bioqualität und wo kommen die Rohstoffe her? Wo wird produziert bzw. das Öl gemischt?

Arian Nek: Die High-Oleic-Sonnenblumenpflanze wird auf EU-Brachlandflächen in konventioneller Weise angebaut. Das Sonnenblumenöl wird gleich in Deutschland weiterverarbeitet, was kurze Transportwege ermöglicht. Über die Zusatzstoffe des Kettenöls kann ich Ihnen nur soweit Informationen geben, dass bei der Beantragung der Umweltzeichen den zuständigen Institutionen alle Inhaltsstoffe mitgeteilt wurden. Um die strengen Auflagen der Umweltsiegel zu erfüllen, dürfen wir nur unbedenkliche Zusätze in sehr geringen Mengen verwenden. Ich möchte Sie um Ihr Verständnis bitten, dass wir unseren technologischen Vorsprung nicht mit anderen Herstellern teilen wollen. Bei der aufwendigen Entwicklung des Kettenöls wurde sehr viel Zeit und Energie investiert.

Sie bemühen sich auch um die EU-BIO-Zertifizierung, gibt es da Fortschritte?

Arian Nek: Ja, wir werden, wenn es weiter gut läuft, noch dieses Jahr eine Produktion mit der EU-Umweltmargerite auf dem Etikett starten. Mit einem Anteil von mindestens 97% an Nachwachsenden Rohstoffen erfüllen wir die EU-Auflagen für Kettenschmierstoffe sehr gut.

Wie wendet man das Öl am besten an?

Porträtbild Arian NekArian Nek: Am besten verwendet man das Öl vor einer Radtour, indem man die Kettenglieder gleichmäßig ölt und die Kette dabei mit der Tretkurbel langsam rückwärts dreht. Hierbei ist es ist wichtig, die Randbereiche der Kette zu treffen. Die Dosierung ist mit dem dünnen Präzisionsspritzer denkbar einfach. Von Vorteil ist auch eine fünfminütige Einwirkzeit nach dem Einölen. Die Kette kann nach einer Tour bei Bedarf durch einen öligen Lappen gezogen werden. Nach ein paar Anwendungen ist die Fahrradkette auf dauerhaftes Bio-Kettenöl umgeölt.

Vielen Dank für das Gespräch!

Derzeit testet das Livona-Team das Kettenöl in der Praxis und meldet sich in ein paar Wochen mit einem umfassenden Testbericht.

Wer darauf nicht warten möchte und schon „umölen“ will, der kann das Bio-Kettenöl bei bike24.de oder hibike.de beziehen.

4 Antworten auf Sauber Radeln – das erste Fahrradöl mit Umweltzeichen

  1. Radler sagt:

    Hallo, Ihr wolltet doch einen Testbericht schreiben. Wo ist er denn? Übrigens bekommt man das Öl nur noch sehr schwer. Bei Bike24 und hibike ist es derzeit nicht erhältlich.

  2. Joachim Simrock sagt:

    Wo kann ich das Kettenöl für Fahrräder im Raum 64289 Darmstadt beziehen?

    • Adina sagt:

      Fragen Sie doch einfach mal bei einem Händler in der Region nach, ob er das Öl bestellen kann. Ansonsten kann es hier online bestellt werden:
      Bike24, Hibike, Fahrrad Freund, Biber Versand, B7 Fahrradzentrum und Max Friedrich.

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