Von Adina, 2. Juli 2012

Vorsicht vor Werbeversprechen bei Nahrungsmitteln für Kinder

Drei Dosen Hipp Kinder-TeeDie Verleihung des „Goldenen Windbeutels“ von foodwatch an den Hersteller HIPP am 19. Juni 2012 hat mal wieder die Augen geöffnet: mit dreisten Werbeversprechen, die den Verbraucher täuschen, wird auch bei den Allerkleinsten nicht Halt gemacht. HIPP etwa vermarktet seine gezuckerten Instantpulver(!)-Tees als besonders geeignet für Kinder ab dem 12. Lebensmonat. Und so zieht es sich durch die Regalreihen: es werden willkürlich Vitamine und Zusatzstoffe zugemischt und schon können die Produkte als gesund vermarktet werden.

EU-Richtlinien zum Schutz der Verbraucher greifen zu kurz

Da hilft auch die neue Richtlinie der EU zum Schutz der Verbraucher vor irreführender Werbung nicht viel. Diese fordert rechtsverbindlich, dass ab 2012 Lebensmittel nur noch mit gesundheitsbezogenen Angaben beworben werden dürfen, wenn diese Wirkung wissenschaftlich erwiesen ist. Nach langjähriger Prüfung hat die EU Kommission eine Liste mit 222 zulässigen „Health Claims“ (Gesundheitsbehauptungen) veröffentlicht. „Für eine gesunde Entwicklung“, „für starke Knochen“ oder „für gesunde Zähne“ – irreführende Gesundheitsaussagen auf Lebensmitteln soll so der Gar aus gemacht werden. Die Ausnahmen sind jedoch gravierend: So darf etwa weiterhin damit geworben werden, dass Kalzium für das Knochenwachstum wichtig sei, was durchaus auch richtig ist. Aber auch hier gilt: ein Übermaß ist insofern schädlich, als dass Kalzium nicht ausgeschieden wird und sich in den Arterien festsetzt. Es gibt alternative pflanzliche Kalzium-Lieferanten, die man in die tägliche Ernährung gut integrieren kann (Grünkohl, Brokkoli, Fenchel und Sesamkörner, ebenso Milch- und Sojaprodukte). Es braucht keine Supplemente, die zu einer Überdosierung führen. Die industriellen Milchprodukte (Kindermilch!) schaffen es aber immer wieder ganz nach vorn ins Regal und ins Einkaufskörbchen gesundheitsbesorgter Eltern. Ein Hinweisschild, welche Gefahren von diesen Zuckerbomben und Proteinkeulen ausgehen, wird es natürlich nicht geben.

Grünes Licht für Zusatzstoffe in Babynahrung

Für mehrere Vitamine wurde ebenfalls grünes Licht gegeben, so dass allein durch eine geschickte Zusammensetzung der Produkte, gesundheitsbezogene Aussagen doch wieder möglich sind. Es wird sogar befürchtet, dass jetzt erst recht Produkte mit Vitaminen versetzt werden, um sie besser bewerben zu können. Auch bei Babynahrung wären Aussagen wie etwa „Omega-3 (DHA) trägt zur normalen Entwicklung der Sehkraft bei Säuglingen bei“ denkbar. Der Zusatzstoff-Mix macht’s! Der gut gemeinte Verbraucherschutz der EU-Kommission ist also nur ein dürftiger. Die Wachsamkeit des Verbrauchers ist weiterhin gefordert. Da gesundheitsbezogene Aussagen von den Herstellern bei der EU bewilligt werden müssen, hat die etwaige Verwendung von „Health Claims“ nunmehr eine EU-geprüfte Legitimation. Damit können sich die Produzenten gerade durch das Beimengen von zugelassenen Zusatzstoffen einen EU-Prüfstempel sichern. Ein doppelt leichtes Spiel also. Die Verantwortung liegt somit nicht mehr beim Hersteller.

Verbraucher vor Werbelügen bei Babynahrung nicht geschützt

Insbesondere bei industrieller Babynahrung ist trotz zugelassener gesundheitsbezogener Aussagen mit Verabschiedung der Health Claims-Verordnung erst recht Vorsicht geboten. Vitamin-, Kalzium- und andere Zusatzstoffe werden mit der Behauptung, die Gesundheit Ihres Kindes zu fördern, beigegeben. Das wäre dann absurder Weise nicht einmal eine Werbelüge, sondern eine EU-zertifizierte zugelassene Aussage, obwohl es garantiert keine oder gar gesundheitsschädliche Wirkung hat. Denn bei genauer Betrachtung ist Mangel selten ein Problem. Im Durchschnitt wird doppelt so viel zu sich genommen (eben insbesondere durch Milch- und Fleischprodukte). Mit Vollkornprodukten, Bohnen, Nüssen, Linsen und Saaten wie Sesam kombiniert mit Vitamin-C aus Obst und Gemüse zur besseren Verwertung wird zum Beispiel auch vollkommen ausreichend gutes Eisen aufgenommen. Eisenmangel ist geradezu ein panisches Schlüsselthema, gerade in der Schwangerschaft, Stillzeit und bei der Babynahrung. Dabei besteht selten wirklicher Eisenmangel (bei Schwangeren auch nur, wenn sie sich nicht ausgewogen ernähren, was leider bei vielen der Fall ist). Häufig greifen sie vor lauter Eisenpanik zu Supplementen. Problem: zuviel Eisen wird nicht vom Körper ausgeschieden, sondern gespeichert, was zu Nierensteinen und Osteoporose führen kann.

Fazit: Die Unsicherheit im Verbraucherschutz steigt. Kaufen Sie lieber frische Waren! Verzichten Sie weitestgehend auf industriell verarbeitete Produkte. Kinder brauchen keine Kindermilch und keine angereicherten Nahrungsmittel. Die Natur bietet alles, was sie brauchen! Und in Bio-Qualität sind Sie auf der sicheren Seite. Wer keine Fertignahrungsmittel kauft, braucht sich mit der Analyse der Inhaltsstoffe nicht zu quälen. Die vier Qualitätssiegel, die Sie wirklich benötigen sind: frisch, regional, saisonal, fair.

Wir bedanken uns herzlich bei Anja Bohländer für diesen Gastbeitrag. Anja ist studierte Soziawissenschaftlerin und Expertin für Ernährungsfragen rund um Schwangerschaft, Still-/Fläschchenzeit.

 

3 Antworten auf Vorsicht vor Werbeversprechen bei Nahrungsmitteln für Kinder

  1. Alexander von paleo24.de sagt:

    +1 für den tollen Artikel!

  2. Pingback: Gesunde Ernährung für Baby und Kind | Livona - Der Bio-Blog

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