Von itti, 23. April 2019

Solidarische Landwirtschaft vor den Toren Dresdens

Der Schellehof in Struppen

Solidarische Landwirtschaft – Hinter den Kulissen

In letzter Zeit haben wir bereits einige interessante Vermarktungskonzepte für Bio- und regionale Lebensmittel z. B. Die Marktschwärmer vorgestellt. Heute wollen wir hinter die Kulissen der solidarischen Landwirtschaft (SoLaWi) vom Schellehof nahe Dresden schauen, um das Konzept verstehen zu lernen. Deshalb sind wir unterwegs nach Struppen zum Tag der offenen Tür im Schellehof. Wir fahren Richtung Sächsische Schweiz, schlängeln uns in Pirna die Serpentinen empor, genießen anschließend den weiten Blick über die Landschaft Richtung Lilienstein und Königstein bevor es wieder hinab ins Tal nach Struppen geht.

Struppen, grüne Weidefläche, anschließend ein Wirtschaftsgebäude dahinter ein Fachwerkhaus, im Hintergrund Kirche und WohnhäuserDer Schellehof will nicht so leicht gefunden werden, er liegt etwas versteckt, erst nach einigem Suchen kommen wir am richtigen Ort an. Wir sind nicht allein, zur Führung sind ungefähr 20 Leute angereist, die ebenfalls hinter die Kulissen vom Schellehof schauen wollen. Wie eine Entschuldigung klingt einer der ersten Sätze einer Mitarbeiterin: “Im Moment ist Sauregurkenzeit.“ Das bedeutet, die Vorratslager sind langsam leergeräumt, die Wintergemüse abgeerntet und die neue Saat fängt auf den Feldern oder geschützt unter Folienzelten gerade an zu sprießen.

Solidarische Landwirtschaft – Was ist das?

Im Jahr 2009 stand die Hofnachfolge an und damit verbunden die Frage: „Wie soll es mit dem alten Dreiseithof in Struppen weitergehen?“ Die jungen Eigentümer hatten sich vorgenommen, auf dem Hof eine verantwortungsvolle, gesunde und enkeltaugliche Landwirtschaft im Einklang von Mensch und Natur zu betreiben. Sie begannen den Hof Stück für Stück auf ökologische Landwirtschaft umzustellen und suchten nach einem geeigneten Vermarktungskonzept für ihre Bio-Produkte in der Region.

Reihe Kirschbäume am Feldrand, dahinter ein frisch bearbeitetes Feld mit TraktorImmer mehr Menschen, insbesondere junge Familien, wollen wieder genauer wissen wo ihre Lebensmittel herkommen. Somit ist es nur folgerichtig, dass der Landwirt wieder direkt mit dem Endverbraucher in Kontakt kommt. Z. B. nach dem Konzept der solidarischen Landwirtschaft, bei dem die Gemeinschaft der Verbraucher mit ihren Beitragszahlungen eine Vorfinanzierung übernimmt und damit für Planungssicherheit beim Landwirt sorgt.

Der Landwirt legt gemeinsam mit den Verbrauchern, auch Ernteteilende genannt, im Vorfeld fest, was in welchen Mengen angebaut wird beziehungsweise welche Tiere gehalten werden sollen. Die Mitglieder der Gemeinschaft wissen was in der nächsten Saison auf dem Speiseplan steht, welche Qualität ihre Lebensmittel haben und genau woher sie kommen.

 Rind reckt seinen Kopf über Heu Richtung Betrachter, das Fell ist hellbraun weiß gefecktEine solidarische Landwirtschaft setzt auf gegenseitiges Vertrauen. Sie ermöglicht dem Landwirt mehr Zeit für seine eigentliche Arbeit, weil die Vermarktung seiner Produkte bereits gesichert ist. Das funktioniert natürlich nur wenn die Qualität stimmt und die Anzahl der Mitglieder der Gemeinschaft ausreichend groß ist.

Aktuell bewirtschaftet der Schellehof über 70 Hektar, beschäftigt 6 Mitarbeiter und versorgt 180 Mitglieder. Besser wären 200 Ernteteilende, es ist also noch Luft nach oben und ihr könnt euch gern beteiligen. Optimal könnten hier bis zu 300 Verbraucher mit regionalen Bio-Lebensmitteln versorgt werden. Deshalb wird ein Teil der Bioprodukte direkt vermarktet. Das geschieht zum einen über den Hofladen und zum anderen werden die Bio-Lebensmittel vom Schellehof auch bei den Marktschwärmern in Dresden angeboten.

Bio-Lebensmittel im Depot zusammen gestelltAlle Ernteteilende sind zusätzlich Mitglied im Lebenswurzel e. V. . Hier übernehmen die Mitglieder planerische und organisatorische Aufgaben. Dazu zählen Anbau und Erzeugung, die Verteilung in den Depots, Rechte und Finanzen oder die Öffentlichkeitsarbeit.

Wie funktioniert solidarische Landwirtschaft auf dem Schellehof

Unser Rundgang beginnt an den Folienzelten wo wir verschiedene Salatsorten und Kräuter entdecken. Gleich nebenan ist ein Stück Feld frisch umgegraben worden, das haben mal kurz die Schweine übernommen, die neue Mitbewohner auf dem Hof sind. Als nächstes besuchen wir die Rinder, die noch im Winterquartier stehen und in den nächsten Tagen auf die Weide dürfen. Zum Tierbestand auf dem Schellehof gehören außerdem Schafe, Gänse und Hühner.

verschiedene Salate und Kräuter wachsen in Reihen unter FolieIm August 2018 startet zusätzlich ein Bruderhahn Projekt, was gemeinschaftlich beschlossen und finanziert wurde. Wir laufen vom Hof im Tal bergauf zum Plateau, wo die Ackerflächen liegen. Von hier oben haben wir einen wunderbaren Blick zum einen nach Dresden und auf der anderen Seite zur Felslandschaft der Sächsischen Schweiz.

ein von Schweinen frisch umgepflügtes FeldHier hat die Pflanzzeit gerade begonnen. Junge Salatpflänzchen wachsen schon und Zwiebeln werden gerade gesteckt. Die Mitarbeiter vom Schellehof werden beim Pflanzen von einigen fleißigen Helfern aus der Gemeinschaft unterstützt. Auch das gehört zur Philosophie der solidarischen Landwirtschaft. Jedes Mitglied kann sich mit seinen Fertigkeiten aktiv einbringen.

im Vordergrund ein Kirschbaum am Wiesenrand, dahinter ein Feld mit vier Leuten die Zwiebeln steckenDie Ackerflächen hier oben sind von Blühstreifen und Hecken umgeben. Letztere dienen einmal der Abgrenzung zur konventionellen Landwirtschaft und zum anderen als zu Hause z.B. für die Blaumeise. Wir erfahren, dass eine Blaumeise am Tag 200 Raupen frisst und somit auf natürliche Weise einen möglichen Schädlingsbefall vermindert. Mit den Blühstreifen werden weitere Nützlinge angelockt und die Kirschbäume am Feldrand dienen nicht nur der Kirschernte im Sommer, sondern an jedem ist ein Nistkasten angebracht.

ein Feld mit zwei Reihen jungen Zwiebeln, dahinter einige Reihen mit verschiedenen SalatenBesonderer Wert wird auf die Arbeit mit samenfesten und alten Sorten gelegt, um die Artenvielfalt zu erhalten. Natürlich ist der Schellehof Bio zertifiziert. Geerntet wird von April/Mai bis in den Spätherbst hinein. Im Sommer und Herbst kann besonders viel verteilt werden, dafür ist danach auch mal Sauregurkenzeit. So wie der Lauf der Natur, den wir so gern verdrängen.

Frisches junges Gemüse gibt es eben erst im Frühjahr und die Apfelernte findet im Herbst statt. Was bedeutet kreativ zu sein, gegessen wird was auf dem Schellehof erntereif ist. Ist die Erntemenge einmal zu groß, dann kann sie eingefroren, eingekocht oder auf andere Weise haltbar gemacht werden. Auch verschenken ist eine gute Alternative.

Solidarische Landwirtschaft – Wie kommt die Ernte zu mir?

Einmal in der Woche wird verteilt, was frisch geerntet wurde. Dafür gibt es ein Depot auf dem Schellehof, eines in Pirna und 4 weitere Depots verteilt in ganz Dresden. Die Depots in Dresden wurden von Mitgliedern der Gemeinschaft eingerichtet und haben feste Öffnungszeiten. Jeder Ernteteilende meldet sich in einem Depot in seiner Wohnortnähe an, damit eine ausreichende Menge in die entsprechenden Depots geliefert werden kann. Dort stellt sich Jeder seine frischen, regionalen Bio-Lebensmittel nach einer, von der Gemeinschaft vorher festgelegten, Bedarfsplanung zusammen.

aktueller Bedarfsplan mit Kreide auf einer TafelDer Schellehof bietet verschiedene Gemüse (ca. 50 Kulturen), Getreide, Backwaren, tierische Produkte (Fleisch vom Rind, Lamm oder eine Weihnachtsgans, Eier) und etwas Obst an. Als Gegenwert dafür zahlen die Mitglieder der Gemeinschaft aktuell ca. 140 € im Monat. Dieser Betrag ist nicht festgeschrieben, Jeder soll das zahlen was er sich leisten kann oder was es ihm Wert ist, auch das gehört zur solidarischen Landwirtschaft. Damit soll sicher gestellt werden, dass auch Menschen mit einem geringeren Einkommen die Möglichkeit haben, sich regionale Bioprodukte leisten zu können.

Kiste mit Salat, Spinat, Kartoffeln, Rote Bete und Sellerie

Solidarische Landwirtschaft unser Fazit

Die solidarische Landwirtschaft ist ein interessantes Vermarktungskonzept für regionale Bio-Lebensmittel. Sie funktioniert nur auf der Basis von Vertrauen, gegenseitigem Respekt, Verantwortung, Engagement und Kreativität innerhalb der Gemeinschaft. Es entstehen immer mehr Projekte solidarischer Landwirtschaft in Deutschland, probiert es einfach aus und lasst uns gern an euren Erfahrungen teilhaben.

Hier noch einmal eine kleine Zusammenfassung in Tabellenform, Pro und Contra können natürlich ganz unterschiedlich eingeordnet werden. Das hängt ganz von eurer aktuellen Situation ab.

SoLaWi

PRO

CONTRA

regionale Lebensmittel

es gibt nur, was angebaut wird

Bio-Qualität

Mengen und Vielfalt können variieren

Transparenz

Selbstabholung im begrenzten Zeitfenster

Gemeinschaftsgedanke

Kreativität beim Verzehr ist gefragt

Gemeinschaftliche Planung und Mitbestimmung

Konservieren und haltbar machen sind angebracht

Mitarbeit erwünscht

Verständigung in einer Gemeinschaft ist Voraussetzung

Vorfinanzierung über die Gemeinschaft

Ertragsgarantie kann es nicht geben

abwechslungsreiche Lebensmittel, Neues entdecken

Zeit für die Gemeinschaft einplanen

Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt

Unterstützung von ökologischem Landbau

Kontakt zum Schellehof

Sternenhof (Besucheradresse)
Hauptstraße 62a
01796 Struppen

Schellehof (Depot)
Schelleweg 1
01796 Struppen

Telefon: (03 50 20) 75 5 75
Telefax: (03 50 20) 75 95 39

E-Mail: solawi@schellehof.de
Internet: https://www.schellehof.de

Ergänzung vom 14.05.2019

André vom Schellehof hat unseren Beitrag gelesen und folgende Ergänzungen:

„Es gibt eine konzeptionelle Änderung in diesem Jahr bei uns. Wir wollen nicht mehr direkt vermarkten, weil es nicht zu unserem Konzept passt. Marktschwärmer haben wir den Rücken gekehrt und der Hofladen öffnet auch nur noch an wenigen Tagen im Jahr, um Überschüsse zu verkaufen. Es ist uns gelungen einen Haushaltsplan weitestgehend ohne Erlöse aus der Direktvermarktung zu stricken. Dank unserer Mitglieder, die uns jetzt mehr Ernte abnehmen als zuvor, wurde das möglich.“

4 Antworten auf Solidarische Landwirtschaft vor den Toren Dresdens

  1. Gerda Schlunz sagt:

    Ein Tolles Konzept wo sich viele Leute was abschauen können finde aber das generell in der Gesselschaft ein Umdenken statt findet könnte aber ausgeprägter sein mmn. Lg Gerda

  2. Bernd Deuter sagt:

    Wirklich toll was die Gemeinschaft dort leistet… ich hoffe es kommen viele Nachahmer!

  3. Roman Morse sagt:

    Da kann sich der ein oder andere Landwirt was von abschauen wirklich eine gute Sache 🙂

  4. Lena Reuer sagt:

    Ich finde es gut, wie bewusst die nachkommende Generation mit dem Thema umgeht. Es wird mehr auf die artgerechte Haltung und Schlachtung geachtet. Auch wenn der Preis vielleicht etwas höher ist, so sollte es doch das Geld wert sein.

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