Von Adina, 12. März 2013

Einsatz für alte und seltene Pflanzensorten

Die "lilatomate" sammelt, vermehrt und vertreibt alte Pflanzensorten

Ende Februar / Mitte März fällt der Startschuss für die Gartensaision. Spätestens jetzt sollte man sich mit Sämereien für den Nutz- und Ziergarten eindecken, denn Tomaten, Paprika, Chilie oder Auberginen können ab Ende Februar auf der Fensterbank vorgezogen werden. Aus den unterschiedlichsten Gründen sind besonders alte und seltene Sorten wieder angesagt. Wer Pflanzen selbst zieht, versucht vor allem auf nachbaubare Sorten zurückzugreifen, die im Gegensatz zu den oft im Handel erhältlichen Hybridzüchtungen samenecht sind. D.h., aus ihnen lassen sich jedes Jahr aufs Neue Samen gewinnen.

lilatomate: Erhaltung alter Sorten

Gärtnerin mit TomateUnter Kennern und Sammlern, hat sich Staudengärtnermeisterin, Autorin und Pflanzenliebhaberin Melanie Grabner unter ihrem Label „lilatomate“ zum Geheimtipp entwickelt. Als Fachfrau für alte Sorten hat Melanie Grabner in über 10 Jahren Sammelleidenschaft allein über 450 Sorten Tomaten angebaut und ausprobiert. Aktuell führt sie eine Liste mit über 300 seltenen Gemüse- und Blumensorten, die sie als Samen und Jungpflanzen auch vertreibt. Livona hat mir ihr über Ihre Leidenschaft gesprochen und nach Tipps für den richtigen Samen befragt.

Neben Ihrer Arbeit als Staudengärtnermeisterin und als Beraterin im Bereich Gartenpflege ist Ihnen die Bewahrung alter Nutzpflanzensorten zur Passion geworden. Woher kommt diese Leidenschaft alte und seltene Sorten zu sammeln und zu bewahren? Warum sollten wir alte Sorten schützen? Moderne Züchtungen haben doch durchaus Ihren Sinn, oder nicht?

Melanie Graber: Mich hatte die Vielfalt und die optische Schönheit der Gemüsesorten fasziniert. Ich wollte gestreifte Tomaten, wie die grün gelbe „Green Zebra“ oder die dunkle „Black Plum“ in Natura sehen. Darüberhinaus gibt es genügend gute Gründe für den Vielfaltsanbau im Hausgarten. Einerseits bietet die Sortenvielfalt auch in ungünstigen Jahren mehr Chancen auf eine reiche Ernte. In vielen Pflanzen schlummern versteckte Eigenschaften wie bestimmte Krankheitsresistenzen. Wer nur auf eine Sorte setzt, kann das große Los ziehen oder leider Pech haben. Moderne Pflanzensorten haben leider oft nur noch ein enges genetisches Spektrum und können als Hybriden nicht mehr aus dem Saatgut ihrer Früchte vermehrt werden.

bunte Tomaten

Durch den Anbau seltener Sorten kann jeder seinen persönlicher Beitrag zum Erhalt der Vielfalt leisten. In jeder seltenen Sorte können ungeahnte Resistenzen schlummern, die bei künftigen Krankheiten und Schädlingen von Bedeutung sind. Mit der Auswahl verschiedener Sorten kommen mehr Geschmacksrichtungen und Zubereitungsmöglichkeiten hinzu. Natürlich ist die Entwicklung von modernen Sorten wichtig, damit sich die Pflanzen besser an veränderte Umweltbedingungen und das Auftreten von neuen Krankheiten und Schädlingen anpassen können. Die sogenannten alten Gemüsesorten sind vor allem deswegen den modernen Hybriden unterlegen, weil sie in den letzten 4-6 Jahrzehnten züchterisch vernachlässigt worden sind.

Glücklicherweise gibt es auch Züchter wie die Bingenheimer Saatgut AG, Bernd Horneburg mit Culinaris und Nutzpflanzenerhalter die konsequent nachbaubare Sorten vermehren und weiterentwickeln.

birnenförmige TomatenWarum ist es nicht möglich, Samen von Obst und Gemüse aus dem Supermarkt zu gewinnen, und diese zu kultivieren?

Melanie Grabner: Die Früchte des Handels stammen überwiegend von Hybriden. Diese wurden für den großflächigen Anbau unter primär wirtschaftlichen Zwecken wie eine hohe Ernte entwickelt. Das Saatgut von diesen Früchten keimt entweder gar nicht oder bildet im nächsten Jahr völlig unterschiedliche Nachkommen. Nur mit viel Aufwand und jahrelanger Züchtungsarbeit können aus Hybriden wieder stabile Sorten zurückgezüchtet werden.

Wie erweitern Sie Ihre „Sammlung“, d.h. wo bekommen sie neue „alte“ Raritäten her?

Melanie Grabner: Ich habe meine Sorten mit anderen getauscht, von meinen Reisen mitgebracht oder einfach bei anderen Anbietern bestellt. Danach teste ich die Neulinge ein paar Mal in meinem Garten und was mir gefällt vermehre ich weiter.

gelbes GemüseWas ist das Highlight in Ihrem Garten bzw. in Ihrer Sammlung?

Melanie Grabner: Ich habe viele Highlights in meinem Garten. Besonders mag ich die runde gelbe Zitronengurke, den braunen, süßen Paprika „Sweet Chocolate“ , den robusten aber dennoch zarten „Kanarenzungensalat“ und birnenförmige und gestreifte Tomaten wie „Schwarze Birne“ oder die rotgrüngestreifte „Black and Red Boar“.

Wo, außer bei Ihnen, können Interessierte Menschen Samen seltener und alter Sorten beziehen?

Melanie Grabner: Einerseits auf Pflanzenmärkten. Auf vielen Pflanzen- und Saatgutmärkten werden immer öfter unterschiedliche Gemüsejungpflanzen angeboten. Selbst wenn die Pflanzen im Verhältnis zum Samenpäckchen teuerer sind, lohnt sich ihr Kauf weil die zeitaufwendige Anzuchtsarbeit wegfällt. Allerdings sollte man sich zuvor absichern, ob es sich um eine nachbaubare Sorte und nicht um eine Hybridform handelt. Im Gegensatz zum Saatgut haben Pflanzen keine Deklarationspflicht.

Letzlich kann ich nur sagen: Probieren geht über studieren! Da jeder Garten seinen eigenen Mikrokosmos in Form vom lokalem Klima, seiner Lage, den Bodenverhältnissen, vorhandenen Pflanzenbewuchs und den ganz privaten Vorlieben seines Besitzers hat, ist auch hier individuelles Probieren, Testen und Anpassen gefordert. Oft keimt das selbstgewonnene Saatgut besser als neu hinzu gekommenes, unabhängig von dessen Qualität.

Nicht zuletzt muss jeder seine eigenen Erfahrungen machen, da es schlichtweg keine allgemein gültigen Standartvoraussetzungen und pauschalen Gebrauchsanweisungen für das Pflanzenwachstum im eigenem Garten gibt.

gestreifte TomatenGärtnern, vor allem das Gärtnern auf kleinsten Raum, wird neuerdings zum Trend erklärt. Schlagworte wie Guerilla-Gardening, Urban-Gardening oder Selbstversorgung auf dem Balkon sind zu Schlagsätzen geworden. Abgesehen vom medialen Hype: Wie beobachten Sie diese Entwicklung? Ist da ein ernstzunehmendes Umdenken zu erkennen?

Melanie Grabner: Nach all den Lebensmittelskandalen und den bekannten Auswirkungen der industrialisierten Landwirtschaft sehnen sich die Menschen nach gesunder Ernährung. Die beste Garantie für eine bedenkenlose Herkunft bietet der eigene Anbau. Für mich und andere Gleichgesinnte ist es eine große Chance die Menschen auf die noch vorhandene Vielfalt unserer Kulturpflanzen und sie für den Erhalt sowie deren Weiterentwicklung aufmerksam zu machen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Kontakt: lilatomate, Melanie Grabner, Goehtestraße 9, 67459 Böhl-Iggelheim, www.lilatomate.de

 

Bezugsquellen für alte und seltene Pflanzensorten:

Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt e. V.

Freie-Saaten.Org. e.V.

Dreschflegel GbR

Bingenheimer Saatgut AG

Irinas Tomaten & Kräuter Spezialitätengärtnerei

Zier- und Nutzpflanzenspezialitäten Monika Gehlsen

Bio-Saatgut Gaby Krautkrämer

CULINARIS – Saatgut für Lebensmittel

6 Antworten auf Einsatz für alte und seltene Pflanzensorten

  1. Dieter Bading sagt:

    Ich suche alte Sorten,wo die Versorgung über einen längeren Zeitraum ist.Was ich jetzt habe ist innerhalb kurzer Zeit fertig und man kann nicht alles verarbeiten.Zu DDR Zeiten hatten meine Eltern den Garten bestellt und es wurde über längere Zeiräume geerntet.Was ich jetzt anbaue ist zu schnell und auf einmal fertig.

  2. Marie Held sagt:

    Hallo,
    bin Tomatenliebhaberin, teste verschiedene Sorten im GH und Freiland, freue mich über Formen, Farben, Geschmack.
    Ich verhüte meine Tomis, weil ich „sortenreine“ Tomaten im Folgejahr haben möchte. Dass dabei Hybriden ausscheiden, klar!
    Wie sicher kann ich sein, dass Samenlieferanten/innen die Tomatensamen „rein“ abgeben?
    Wie gehen professionelle Züchter mit der „Verhütung“ um, bzw., ist es überhaupt für grosse Anbieter möglich, auf Sortenreinheit zu achten?
    Stelle mir gerade grosse Gewächshäuser vor, in denen verschiedene Tomaten beieinander stehen.
    Möchte aber trotzdem noch anfügen, dass ich von Ihnen, Frau Grabner, immer sehr gute Samen erhalten habe.
    Danke dafür, Danke auch für Ihre sehr informativen Seiten.

  3. Irina Hunka sagt:

    Hallo,
    vielen Dank für die gebündelte Infos. Ich komme zwar beruflich nicht aus der „Gesundheitsecke“, aber privat bewege ich mich immer mehr dahin. Leider wird viel zu wenig darüber in den Medien berichtet, wie abhängig wir jetzt schon von großen Saatgutkonzernen sind, (die meist auch Chemie- und Pharmaunternehmen sind). Und wie sehr Zuchtkriterien von Gemüse und Obstsorten wie Einheitsgröße zu Lasten von Vitamingehalt und damit unserer Gesundheit gehen.
    Und das die EU vorhat, die alten Sorten jetzt noch per Gesetz praktisch zu verbieten, ist schlichtweg ein Skandal.
    (Siehe europäische Saatgutverordung 2013 von EU.Kommissar Borg)

    LG
    Irina

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